Interview zu Rechtsfragen bei Stornierungen
Ein Interview mit Josef Peterleithner, Präsident des Österreichischen Reiseverbandes (ÖRV) und Reiserechts-Experte über die aktuelle Lage und was er Tourismusbetrieben bei Stornierungswünschen von Gästen rät.
Corona-Lockdown im November, Reisewarnungen in touristischen Hauptmärkten wie Deutschland und den Niederlanden: Die Situation für Tourismusbetriebe ist in diesen Tagen und unmittelbar vor der Wintersaison 2020/21 eine besondere Herausforderung.
Wir haben mit ÖRV-Präsident und Reiserechts-Experten Dr. Josef Peterleithner über die aktuelle Situation gesprochen und mit ihm die derzeit drängendsten Fragen der Tourismusbetriebe im Umgang mit Stornierungswünschen von Gästen aufgearbeitet.
Tourismusbetriebe im ganzen Land sind aufgrund der derzeitigen Lage mit kurzfristigen Stornierungswünschen von Gästen konfrontiert. Viele fragen sich: Wie gehe ich als Beherberger damit um? Was raten Sie als Experte?
Ganz grundsätzlich: Hat ein Gast über ein Reisebüro gebucht, sind die Rechtsfragen bei Stornierungen über das Pauschalreisegesetz relativ klar geregelt. Im Bereich der Individualreisen ist die Sache etwas komplizierter.
Losgelöst von der rechtlichen Situation rate ich aber immer, eine möglichst kulante Regelung bzw. Lösung mit dem Gast finden. Wahrscheinlich handelt es sich ja zum Großteil um Stammgäste, die dem Gastgeber bzw. dem Salzburger Land schon in der Vergangenheit treu waren und wo zu erwarten ist, dass sie dies auch in Zukunft sein werden. Es gibt ja auch wieder eine Zeit nach der Corona-Krise.
Darüber hinaus geht es auch um Sicherheit. Ich denke da nicht nur an die gesundheitliche Sicherheit, sondern auch an die Buchungssicherheit. Bekommt diese der Gast nicht, wird er – wenn überhaupt – nur mehr kurzfristig buchen.
Die Wirtschaftskammer gibt auf Ihrer Website einen sehr guten Überblick über rechtliche Fragen bei Stornierungen. Hier wird uns aber oft die Frage gestellt: Gilt das nur für die gewerblichen Beherbergungsbetriebe oder kann das gleichermaßen auch für Privatvermieter angewendet werden?
Ich sehe hier keinen Unterschied. Gast ist Gast. Gastgeber ist Gastgeber.
(Anm.: Hilfreiche Informationen dazu siehe unten bei „Wichtige Links zum Thema“)
„Kulanz“ ist ein oft gehörtes Stichwort. Stimmen Sie zu, dass die einvernehmliche Lösung mit dem Gast – beispielsweise über eine Verschiebung des gebuchten Urlaubs auf einen späteren Zeitpunkt – die beste Lösung ist?
Österreichs Tourismus lebt von zufriedenen Kunden. Das ist auch im Reisebüro und beim Reiseveranstalter so. Viele davon sind langjährige Stammkunden, ob für das Hotel, für das SalzburgerLand oder für das Tourismusland Österreich zutreffend. Die Verschiebung des gebuchten Urlaubs zu einem späteren Zeitpunkt oder das Ausstellen eines Gutscheines sind bestmögliche Lösungen. Viele wollen ja reisen, können oder dürfen aber derzeit einfach nicht.
Abgesehen davon: ein Gast, der über eine Buchungsplattform gebucht hat, sollte doch nicht besser gestellt werden, als wenn er direkt über ein Reisebüro oder über einen Reiseveranstalter bucht.
Was passiert mit möglicherweise schon getätigten Anzahlungen? Was, wenn ein Gast die angebotene Gutschrift bzw. Verschiebung seines Urlaubs nicht akzeptiert und das bereits überwiesene Geld zurückfordert? Welche Schritte sind dann die richtigen
Hier ist zu unterscheiden, ob es um eine Kulanz geht oder der Gast einen rechtlichen Anspruch auf die Stornierung und die Rückzahlung hat, z.B. wenn das Hotel die Leistung aufgrund der behördlichen Schließung gar nicht erfüllen kann. Aber auch hier gilt es, eine für Gast und Gastgeber zufriedenstellende Lösung zu finden, auch wenn dies nicht in allen Fällen möglich sein wird.
Im Gegensatz zum Lockdown, der mit 30. November enden soll, haben Reisewarnungen meist kein klares „Ablaufdatum“, was die Sache zusätzlich verkompliziert. Ein Beispiel: Ein Gast ist verunsichert und möchte bereits jetzt seinen gebuchten Urlaub für kommenden März stornieren – ein Zeitpunkt, wo aber vielleicht gar keine aufrechte Reisewarnung mehr besteht. Wie sieht hier die Rechtslage aus?
Will der Kunde aus Gründen der Angst seine gebuchte Reise nicht antreten, wird er gegebenenfalls die Stornokosten tragen müssen. Persönliche Ängste oder Bedenken berechtigen nicht zu einem kostenlosen Storno.
Nach der Rechtsprechung kann dem Reisenden bei Reisewarnung für die betreffende, gebuchte Region oder für das ganze Land zugemutet werden, die weiteren Entwicklungen abzuwarten, wenn der Reiseantritt nicht unmittelbar bevorsteht. Was den Zeitraum betrifft, haben sich die Gerichte nicht eindeutig festgelegt, weil jeder Einzelfall gesondert beurteilt werden muss. Aktuell wird von einer zeitlichen Zumutbarkeit bis zu einer Woche vor Reiseantritt gesprochen.
WICHTIGE LINKS ZUM THEMA
>> WKO: Fragen & Antworten zu Stornierungen
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